Das Liuthar-Evangeliar: „Hier ist alles GOLD, was glänzt“

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Das Liuthar-Evangeliar: „Hier ist alles GOLD, was glänzt“

Das Benediktinerkloster der Insel Reichenau war zur Zeit der ottonischen Könige und Kaiser eines der berühmtesten Zentren der abendländischen Buchmalerei.

Das vom Buchmaler und Schreiber Liuthar erschaffene Evangeliar zählt zu den kostbarsten Kunstschätzen seiner Zeit. Es ist ein Meisterwerk der Reichenauer Werkstätten, das durch die Darstellungen seiner Bilder auf Goldgrund einen großen Stilwandel einleitete. Blattgold in Prachthandschriften kunstvoll einzusetzen, war eine bahnbrechende Neuerung für die Buchmalerei des Abendlandes, zugleich die Rückkehr einer in Mitteleuropa schon in Vergessenheit geratenen Kunst.

Blattgold herzustellen ist ein uraltes Handwerk. Schon 2000 v. Chr. war es eine in Ägypten, später bei Griechen und Römern perfektionierte Kunstform der kostbarsten Objektveredelung. Die damaligen Kunsthandwerker verstanden es, Gold durch eine besondere Schlagtechnik in Blätter bis auf 1/1000 mm zu verdünnen. Um 400 n. Chr. entstanden in Konstantinopel, Irland und Italien erste mit Gold illuminierte Manuskripte, die neben den Texten auch kunstreiche Verzierungen aus Blattgold für Initialen, Miniaturen und Bordüren enthielten. In Mitteleuropa begannen erst vor 500 Jahren Handwerker mit der Herstellung von Blattgold, wobei sich die mittelfränkische Stadt Schwabach zum Weltzentrum dieses Handwerks entwickelte.

Irische Mönche, die ihr Wissen aus römischen und arabischen Quellen schöpften, brachten die uralte Tradition der „aurifex bractearius“ auch nach Marmoutier, Montecassino, St. Gallen und auf die Reichenau.

Dieses Wissen um die Verbindung von ausgekochter Kaninchenhaut mit seinem natürlichen Kollagen und der seltenen Bol d’Armenie war „Gold wert“. Der aus Tonerde und roten Eisenoxid bestehende Bolus ermöglichte erst nach der Zugabe des Kaninchen-Kollagens, die Haftung des hauchdünnen Blattgoldes auf Pergament. Diese als Poliment bezeichnete Mischung wurde sorgfältig auf die vom Schaf, Ziege, Kalb, Esel oder Hirsch stammende Pergamenthaut aufgetragen und an Übergangsstellen zwischen Vergoldung und Farbe durch die Beigabe spezieller Baumsäfte oder den Speichel des Schreibers unsichtbar gestärkt.

Heute zählt Liuthars Werk zu den wertvollsten Handschriften der Aachener Domschatzkammer und ist eines der Spitzenexponate der Großen Landesausstellung „Klosterinsel Reichenau – Welterbe des Mittelalters“.

Kerninformationen

Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz und die Insel Reichenau sind vom 20. April bis 20. Oktober 2024 die Schauplätze der Großen Landesausstellung „Klosterinsel Reichenau – Welterbe des Mittelalters“, die vom Badischen Landesmuseum ausgerichtet wird. Die Hauptwerke der Reichenauer Handschriften wurden 2003 als „kulturgeschichtlich einzigartige Dokumente, die exemplarisch das kollektive Gedächtnis der Menschheit repräsentieren“ zum UNESCO-Weltdokumentenerbe ernannt. Anlässlich des Jubiläums „1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ führt das Badische Landesmuseum diese einmaligen und kostbaren Kunstwerke erstmals seit Jahrzehnten in diesem Umfang wieder am Bodensee zusammen. In einer der spektakulärsten Sonderausstellungen Europas entsteht am Benediktinerplatz in Konstanz eine beispiellose Schatzkammer der Kultur- und Zeitgeschichte.

Weitere Informationen unter: https://www.landesmuseum.de/reichenau


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